
Ich bin ein grosser Fan und obsessiver Sammler von Zitaten. Aber sie treiben mich gelegentlich auch in den Wahnsinn. Vor allem wenn sie als «heimtückische Memes» durchs Internet geistern und keinen Hinweis darauf liefern, welchem Werk sie entnommen sind. Ganz zu schweigen davon, dass sogar die Angabe der Autor:innen sehr oft irreführend oder schlichtweg falsch ist.
Im wunderschön gestalteten Buch Schreibwelten von Alex Johnson schlage ich zufällig Seite 47 auf und treffe auf das Zitat von Agatha Christie. Im Original lautet es: «The best time to plan a book is while you’re doing the dishes.»
Das kommt mir bekannt vor, denn ich habe es im Dezember 2020 bereits für meinen Essay über Musenküsse und Inspiration beim Schreiben recherchiert. Wie der Quote Investigator Garson O’Toole zeigt, gibt es durchaus Hinweise darauf, dass die Krimiautorin in der Badewanne ihre Plots ausgeheckt hat und beim Abwasch auf gute Einfälle kam. Klärung und einen direkten Beleg liefert dann eine Passage, die ich in Agatha Christies Autobiografie aufgespürt habe und in der sie lustigerweise den Schriftsteller Robert Graves als Quelle nennt:
«Bei den Hausarbeiten konnte ich meinen Geist entlasten. Geschirr spülen, hat Robert Graves einmal [zu mir] gesagt, regt zum schöpferischen Denken an. Ich glaube, das stimmt.»
Und sie fährt fort: «Es ist etwas Monotones an den häuslichen Pflichten, und diese Eintönigkeit gibt den körperlichen Fähigkeiten des Menschen genügend Arbeit, während sie die geistigen freisetzt, sodass sie sich aufschwingen können in die Höhen der Phantasie, um neue Gedanken zu fassen und zu formen.»1
Ich möchte dem Quote Investigator keine (oder nur ein bisschen) Konkurrenz machen. Denn hin und wieder bereitet mir das ungenaue und quellenlose Zitieren schon Kopfzerbrechen. Vielleicht hat mich da die wissenschaftliche Arbeit verdorben. Aber etwas nervig ist es schon, wenn ein Bonmot aus einem Shakespeare-Stück oder einem Roman von Jane Austen zitiert wird und als Quelle lediglich der Name des Autors oder der Autorin vermerkt wird. Auch wenn die Werke aus ihrer Feder stammen, sind sie mit ihren Charakteren nicht unbedingt einer Meinung. Wie schon Antonio in Shakespeares The Merchant of Venice bemerkt: «The devil can cite Scripture for his purpose.» – Wenn es sich um die deutsche Übersetzung handelt, sollte man auch erwähnen, wem wir diese verdanken. Bei August Wilhelm Schlegel zum Beispiel heisst es: «Der Teufel kann sich auf die Schrift berufen.»
Bei genauerer Prüfung kann sich unter Umständen sogar herausstellen, dass das Zitat im Werk der genannten Autorin gar nicht vorkommt.

«When I fall in love, it will be forever.» – Das könnte Jane Austen vielleicht in einem Biopic sagen. Als Quelle wird gelegentlich Sense and Sensibility (1811) angeführt. Dort erwähnt Edward Ferrars im Gespräch mit den Dashwoods zwar Mariannes «Lebensmaxime: dass man sich nur einmal im Leben verlieben kann» (2017, 95; in der Übersetzung von Andrea Ott). Im exakten Wortlaut kommt das angebliche Austen-Zitat aber tatsächlich nur in der BBC-Adaption des Romans nach dem Drehbuch von Andrew Davies vor (GB 2008).
Daniel Ammann, 7.5.2023/17.5.2025
- Im Original: «During domestic chores I could relax my mind completely. Robert Graves once said to me that washing up was one of the best aids to creative thought. I think he is quite right. There is a monotony about domestic duties – sufficient activity for the physical side, so that it releases your mental side, allowing it to take off into space and make its own thoughts and inventions. That doesn’t apply to cooking, of course. Cooking demands all your creative abilities and complete attention.» (Christie 2011 [1977], 316–317) ↩︎
Quellen
Austen, Jane. Vernunft und Gefühl. Aus dem Englischen von Andrea Ott. Zürich: Manesse, 2017.
Christie, Agatha. Agatha Christie: An Autobiography. London: HarperCollins, 2011 (1977).
Christie, Agatha. Die Autobiographie. Aus dem Englischen von Hans Erik Hausner. Hamburg: Atlantik, 2017.
Johnson, Alex. Schreibwelten. Mit Illustrationen von James Oses. Aus dem Englischen von Birgit Lamerz-Beckschäfer. Darmstadt: wbg Theiss, 2023.
Sense & Sensibility. (Sinn und Sinnlichkeit.) GB 2008. Regie: John Alexander. Buch: Andrew Davies.