Hermann Reinfrank (1952–2023)

«Farblose grüne Ideen schlafen wütig»
Hermann Reinfrank — Künstlerporträt [1994]

Von Mark Staff Brandl und Daniel Ammann

«Nicht immer hat ein Abdruck die gleiche Form wie der Körper, der ihn gemacht hat, und nicht immer entsteht er durch das Gewicht eines Körpers. Manchmal reproduziert er nur den Eindruck, den ein Körper in unserem Geist hinterlassen hat, dann ist er der Abdruck einer Idee. Die Idee ist ein Zeichen der Dinge, und das Bild ist ein Zeichen der Idee, also das Zeichen eines Zeichens. Aber aus dem Bild rekonstruiere ich, wenn nicht den Körper, so doch die Idee, die andere von ihm hatten.»
Umberto Eco, Der Name der Rose

Freunde von uns haben kürzlich eine Episode erlebt, die sich immer wieder ergibt, wenn kleine Kinder ein Geschenk bekommen. Als sie ihrem einjährigen Sohn Nicolas ein Spielzeugauto übergaben, beachtete er das Spielzeug kaum und wandte seine ganze Aufmerksamkeit sofort dem für ihn aufregenden Styropor und der knisternden Plastikverpackung zu. Diese Art von Verpackung ist tatsächlich oft von besonderer Faszination — auch wenn diese Überreste nur die umhüllende Absenz dessen bilden, was wir für wertvoll halten. Zu dieser grundlegenden Erkenntnis gelangt auch der St. Galler Künstler Hermann Reinfrank, aber er begreift, steigert und vertieft diese Einsicht über den Abfall nachhaltig durch Einfallsreichtum, Assoziation und schiere Obsession.

Reinfrank, 1952 in St. Gallen geboren, spricht in Zusammenhang mit seiner künstlerischen Aktivität von «Müllhalden» — und das trifft zu, obgleich es sich in seinem Fall eher um das Sammeln und Anhäufen von historischem Zivilisationskehricht handelt als eine blosse Lagerstätte, wie der Begriff ebenfalls nahelegt. Voller Sorgfalt und mit grossem Eifer hortet er auserwählte Bestandteile aus dem Abfallberg seines Lebens, wandelt sie später um oder fügt sie neu zusammen und schafft so eine lebensbereichernde Kunst. Gleich auf mehreren Ebenen stellt er die Verbindung zum Müll her: erstens, indem er polsternde Schutzverpackungen aus Styropor kombiniert und diese Konstruktionen dann zum Beispiel in Gips giesst; zweitens, indem er seinen persönlichen Unrat direkt zu Werken und Installationen zusammenfügt, und drittens, indem er, gleich einem Zwang folgend, alles sammelt, ja beinahe katalogisiert, was an Altmaterial überhaupt anfällt — vor allem wenn es die Farbe Grün hat. Bei all diesen Annäherungen setzt Reinfrank auf die Zeit und lässt diese für sich arbeiten, so dass auch Zufall und Alltagserfahrung eingebracht werden. Als kritischer und aufmerksamer Beobachter all dessen, was wir auf unserem Lebensweg an Spuren zurücklassen, komponiert er «heisse» Kunst, im Gegensatz etwa zum «kühlen» Schaffen anderer Sammler-Künstler wie Arman, Robert Rauschenberg oder Andy Warhol. Überhaupt zu einem Vergleich genötigt, würden wir ihn eher in die Nähe eines Kurt Schwitters rücken als der eben genannten, vor allem dem Schwitters des Merzbau.

Die Spuren und Markierungen, welche Menschen auf der Erde hinterlassen, können — unter einem semiotischen Blickwinkel betrachtet — drei Ebenen von möglichen Bezügen aufweisen und entsprechende Schlussfolgerungen zulassen. Eine Gegebenheit, wie beispielsweise ein Fussabdruck, kann einfach als simples Ereignis genommen werden, als neutrales Zeichen, das lediglich dadurch zustandekommt, dass jemand auf den feuchten Erdboden getreten ist. Der gleiche Fussabdruck kann aber — als Index oder An-Zeichen — auch informativen Wert bekommen, wenn die Spur plötzlich als Hinweis (und Nachweis) dafür dient, dass überhaupt jemand hier war. So würde ein Detektiv den Fussabdruck unter dem Fenster eines geplünderten Hauses ganz selbstverständlich in dieser Weise, nämlich als Indiz, lesen. Die dritte Ebene schliesslich können wir als kommunikativ bezeichnen: Das Zeichen wird vom Betrachter als beabsichtigte Botschaft eines echten oder fiktiven Senders gelesen und entsprechend interpretiert, selbst wenn diese Mitteilungsabsicht in Wahrheit gar nicht existiert. Die gleichen Spuren werden nun als Aufforderung verstanden, ihnen zu folgen, mit dem Vorhaben, uns an einen bestimmten Ort zu leiten. So verhält es sich beispielsweise mit den aufgemalten Fussabdrücken in unübersichtlich angelegten öffentlichen Gebäuden oder Museen.

Der kulturell vorgegebene Rahmen, in dem wir leben, hält uns nun dazu an, Abfall, vor allem Verpackung, als ein Nebenprodukt anzusehen, eben als simples Ereignis. Die Botschaft lautet allenfalls «Pack mich aus» und (ver‑)führt uns zu den Leckerbissen im Inneren, ungeachtet des verursachten Abfalls. Reinfrank praktiziert die bedeutungsvolle Umkehrung der Kehrichtwahrnehmung. Absichtlich und mit Nachdruck liest und (miss‑)versteht er das scheinbare Nebenprodukt als kommunikatives oder doch zumindest als hoch informatives Zeichen. Was sagt uns dieses Objekt? Worin besteht seine Wesenheit, sein ontologisches Sein? — Es ist ebenso sehr ein Artefakt — ein Kunsterzeugnis also — wie derdiedasjenige, welche es hinterlassen haben.

In diesen Komplementärgestalten, den negativen Lebenshülsen, will Reinfrank Hohlformen erkennen, Matrizen, in die wir Erfahrung giessen können. Diese Ein-Drücke und Ab-Bilder liegen dann als Fund-Elemente unter Umständen jahrelang in seinem Atelier brach, warten auf eine Reaktion, auf ihre Transformation. Reinfrank glaubt nämlich, dass ein Verpackungsdesign dann am besten ist, wenn das ursprünglich Verpackte daran nicht mehr erkennbar ist. Dies ist eine Archäologie phänomenologischer Lebenserfahrung — gelebtes Leben oder, um einen Begriff zu verwenden, der im Gespräch mit ihm immer wieder auftaucht: Überleben. Seine Kunstwerke werden zu Relikten von Zufallsbegegnungen in diesem täglichen Kampf. Eine Gipsskulptur, die wir hoch auf einem Balken seines Studios stehen sahen (leider noch ohne Titel) hat ihren Ursprung in der Verbindung zweier ganz unterschiedlicher Styroporstücke. Theoretisch gesehen eine einfache Kombination, aber eindrücklich in ihrer nachhaltigen Wirkung. Es nimmt die Gestalt eines geometrischen Jaguargesichts an, eine Mayastele, die uns an jene in Tikal erinnert, taucht plötzlich im Abfallberg der Schweiz wieder aus dem Verborgenen auf. In ähnlicher Weise stellen auch andere Stücke Verbindungen zu solch altertümlichen Vorstellungsbildern und sogar zur modernen Kunst her und bewahren dennoch den Witz, der ihrer Entdeckung innewohnt: die Aztekenpyramide aus einer Abzugshaube, die Maquette zu einer abstrakten Plastik aus einer angeschwollenen Tetrapackung. Diese Müllhalden sind von vornherein mit Leben erfüllt. Ein Stapel von Objekten, an denen Reinfrank zur Zeit arbeitet, besteht aus den durchsichtigen Plastikbehältern für Fertigsalate, die der Künstler auch alle selber verzehrt hat. Schritt für Schritt füllt er seine Kunststücke mit mehr und mehr Leben an, anstatt sie auszuhöhlen, um sinnbildlich unsere Situation aufzuzeigen, wie es etwa die Pop-Art tun würde. «Kreativität ist eine Lebensform», sagt Reinfrank.

Unser metonymisches Bild von Fussabdrücken, das wir weiter oben verwendet haben, hat in einer von Reinfranks stärksten Arbeiten konkrete Gestalt angenommen, einer Installation mit Haushaltschwämmen, die von Wand zu Wand einen flächendeckenden Bodenbelag bilden. Dieses Werk mit dem Titel «Projekt Plasma» entstand 1991 für eine Ausstellung in der St. Galler Kunsthalle. Die gelb-grünen Putzschwämme wurden dabei nahtlos aneinander gereiht, jeweils mit der rauh-grünen Schrubbseite nach oben. Wenn nun Ausstellungsbesucher über die Schwämme gingen, wurden diese natürlich verrückt. (Kinder waren offenbar ganz versessen darauf, die Schwämme wieder richtig einzufügen und so den Boden zu «reparieren».) Aus diesen Störungen ergaben sich Wellenmuster, welche die Wege der Betrachter und Betrachterinnen durch den Raum nachzeichneten. Die Installation stellte in mehrfacher Hinsicht ein beträchtliches Unterfangen dar: Die 6’200 Schwämme beliefen sich auf insgesamt Fr. 2’500. Trotz grosser Bemühungen um einen Mengenrabatt beim Hersteller und im Geschäft, musste Reinfrank die Schwämme tatsächlich stückweise über den Detailhandel beziehen, da für einmal der persönliche Abfall nicht reichte. Wahrscheinlich war man nicht dazu fähig, sich dieses Projekt überhaupt als Kunst vorzustellen.

Schieres Überleben und mit seiner Kunst genug Geld zu verdienen, um damit weitermachen zu können, sind bei Reinfrank ein wiederkehrendes Thema. So gibt es mindestens zwei Nebenbeschäftigungen, die in positiver wie negativer Weise einen direkten Einfluss auf sein künstlerisches Schaffen ausgeübt haben und die für seine Fähigkeit stehen, die kleineren Überlebenskämpfe in dieses zu integrieren. Schon seit zwölf Jahren ist er als Busreiniger beschäftigt. Arbeitszeiten eines Vampirs und der allgegenwärtige Abfall haben dabei wesentlich zu seiner persönlich-künstlerischen Lebenseinstellung beigetragen, einer Betrachtungsweise, die gewissermassen auf der anderen Seite unserer eigenen liegt. Er dreht Verhältnis zwischen Hülle (leer) und Inhalt (voll) sogar bei den Tageszeiten um, denen er seine Aufmerksamkeit schenkt. Früher arbeitete Reinfrank zehn Jahre lang als Textildruckentwerfer, und vieles in seinem grundsätzlichen Kunstverständnis lässt sich in diese Zeit zurückverfolgen. Die Tätigkeit verlangt in gewisser Weise Kreativität, aber hält diese bewusst durch die kollektive Paranoia vor den ständig wechselnden Modetrends in Schach, obwohl sich auch diese Mode parasitisch von der Kunst ernährt. «Die nächste Saison steht unter dem Motto Miró», bringt Reinfrank das typische Geplänkel der Modedesigner und -verkäufer auf den Punkt. Er schuf Dessins für Stoffe, die neben Lob auch Kritiken wie «Das ist ein Bild» ernteten. Auf der andern Seite malte er gleichzeitig Bilder, die dann wiederum als «schöne Dessins» eingestuft wurden. Schon damals also verstiess er gegen einen kategorischen Imperativ des Lebens, und mit seinem heutigen Schaffen führt er diesen Schritt allmählich zur Vollendung. Dabei muss man aber auch zur Kenntnis nehmen, dass er diese Trennlinie nicht bloss im Feuer übertreibender Verallgemeinerung überquert, wie das heutzutage oft der Fall ist. Nirgends in seiner Arbeit lässt sich etwa eine Aussage wie «Kunst und Werbung sind das gleiche» oder eine ähnliche Platitüde ableiten. Er praktiziert ja gerade das Gegenteil und führt durch eine ethisch konsequente Trennung Kunst und Leben erst zusammen. Vielleicht hat er auch deshalb jenen «Beruf» (was für ein gewichtiger schweizerischer Ausdruck) aufgegeben, um nur noch als Busreiniger zu arbeiten und so Raum für seine eigentlich künstlerische Tätigkeit zu schaffen. Vor diesem Hintergrund arbeitet er immer noch, wird oft zuerst wütend, wie er sagt, und in der Folge kreativ.

Die konzentrierte Beschäftigung mit der Farbe Grün geht ebenfalls auf seine Zeit als Textildruckentwerfer zurück. Er habe sie 1972 aufgrund ihres «Un-Sinns» ausgewählt, erklärt Reinfrank. Damals war er im Vorkurs der Kunstgewerbeschule, wo es verschiedene Aufgabestellungen zum Thema Farbe gab. Uns scheinen die Assoziationen dieser Farbe mit einer Wellenlänge von 500 Nanometer zwar viel weitreichender, weshalb Reinfrank sie vielleicht absichtlich nicht genauer ausführt. Eines seiner bekannteren Werke ist eine kleine Anthologie, eine (An‑)Sammlung von Sätzen, die das Wort «grün» enthalten und aus einem breiten Spektrum von Texten stammen. Sätze mit grün (Mai 1985) das erste Exemplar aus dem Vexer Verlag, einem Kind des St. Galler Künstlers Josef Felix Müller, dessen Programm sich durch kostbare Ausgaben und Buchwerke experimenteller Künstler einen Namen gemacht hat. Seither hat Reinfrank willkürlich — oder auch nicht — immer wieder Grün als Bezugsfarbe für seine Arbeit gewählt. Wenn nicht etwas anderes, so zeichnet sicher die obsessiv-zwanghafte Verwendung dieses Farbprinzips seine einzigartige Stellung in der Ostschweizer Kunstszene aus. Ganz bewusst treibt er eine ausgefallen individuelle Entscheidung über die Jahre fast auf die Spitze.

Ebenfalls eine Reaktion auf die Kunstgewerbezeit scheint Reinfranks Feststellung zu sein, dass Kunst «keine Dekoration» ist — und nicht sein darf. Er tritt zwar leidenschaftlich dafür ein, dass (seine) Kunst einem Zeck dienen soll, jedoch einem ganz anderen als dem der Verzierung. Betrachter müssen ins Bild kommen können, sei es physisch oder gedanklich. — «Was mal Leinwand war, sind Hirne.» Die Oberfläche unserer alltäglichen Wünsche bemalt er mit Abfallpigment aus dem, was wir ausblenden. Es ist durchaus denkbar, dass Reinfranks relative Abgeschiedenheit von der aktiven Kunstszene — abgesehen von seiner Mitwirkung in der St. Galler Kunsthalle und der Teilnahme an Veranstaltungen wie der Ausstellung Kunstschaffen in der OLMA — auf seine friedliche Ablehnung jeweiliger Modeströmungen zurückzuführen ist. Das Verlangen, «seine Datenbank zu füllen», verfolgt ihn mehr als die Erfolgsmasch(in)e. «Nicht was in der Kunstszene läuft, sondern alles ist wichtig, um Kunst zu machen — nicht die Kunst», sagt Reinfrank. Ihn interessiert die Schnittstelle zwischen Relikt, Gesellschaft und dem Unsichtbaren.

Zu einem gewissen Grad sollte er sich wahrscheinlich vermehrt mit den Abläufen des Ausstellungsbetriebs auseinandersetzen oder nach Alternativen suchen, denn viele der potentiell faszinierenden Installationen scheinen nur auf den Rahmen einer passenden künstlerischen Veranstaltung zu warten, damit auch andere die Entdeckungen des Künstlers sehen und daran teilhaben können. Das pralle Chaos seines Ateliers bräuchte nur den zündenden Funken einer Gelegenheit, um nach aussen zu gelangen und dort Interesse zu wecken. Ein schön gefertigter Karteikasten aus Holz, den er aus dem Abfall gerettet hat, wartet hoffnungsvoll auf eine Ausstellung — zum Beispiel gefüllt mit Ideen und Grün. Weggeworfene Papierrollen, ursprünglich für Billettautomaten gedacht, liegen auf einem Stapel. Das Hintergrundbild der stilisierten (und spiegelverkehrten) Landschafts-Silhouette des Klosterviertels in St. Gallen gibt Reinfrank die Idee zu einer Installation, wo Besucher Regionallandschaftskunst per Laufmeter kaufen könnten. Neben diesen Arbeiten auf Abruf macht sich Reinfrank nun bereits um die Beschaffung des Rohmaterials für seine Kunst Sorgen. Scherzhaft, aber doch mit einer gewissen Betroffenheit, stellt der Sammelwütige fest, dass angesichts des (scheinbar) recyclierbaren Styropors nicht mehr genug Müll als Grundmaterial für seine Formen bleiben wird.

Obgleich einiges in dieser Diskussion um Müll schockierend wirken mag — oder zumindest als Versuch zu schockieren, so trifft dies in Wahrheit für Reinfranks Kunst ganz und gar nicht zu. Hingegen stimmt es, dass er bei einzelnen Werken schon mit ungewöhnlichen Begriffen im Zusammenhang mit Abfall gearbeitet hat. Beim letzten (in der gleichen Ausstellung zu sehen wie die grüne Schwamm-Teppich-Installation) handelte es sich um eine digitalisierte Form des Wortes «Scheisse». Reinfrank verwendete hierbei den ASCII-Standard (American Standard Code for Information Interchange), einen binären Zahlencode zur Darstellung von Zeichen im Computer. Der Buchstabe «S» beispielsweise lässt sich durch eine Serie von geöffneten («aus») und geschlossenen («ein») Schaltkreisen in der Form «ØØ11ØØ11» ausdrücken, wobei Ø «aus» und 1 «ein» bedeutet. Dieses Prinzip wandte Reinfrank, ebenso wie es ein Computer tun würde, auf das ganze Wort an und stellte dieses visuell mit Hilfe von Kaugummis dar, welche in zwei unterschiedlichen Grüntönen geliefert werden. «So schön kann Scheisse sein», meint er dazu. Obwohl es in der Beschreibung zwar provokativ tönt, handelt es sich in der visuellen Umsetzung um eine schöne Arbeit. Der Künstler konzentriert sich hier auf das Uneingestandene und führt seine Arbeitsthese quasi mit den Mitteln des prächtig neuen Computerzeitalters aus. Gemäss Reinfrank lässt dies in gewisser Weise auch an unsere ganze Lebensspanne denken, und etwas trocken, aber vielleicht völlig zutreffend kommentiert er: «Wir sind hier, um Kohlenstoff zu produzieren». In dieser Sichtweise wird das menschliche Leben relativiert und erweist sich gewissermassen als Kompost — ein durchaus wirksames Gegenmittel angesichts zu starker Romantisierung. 

Schwingt hier auch Melancholie mit? — Sicherlich, zumindest teilweise. Als wir Reinfrank so in seinem Atelier sitzen sahen, umgeben von einer Unmenge von Objekten, wurden wir doch ein bisschen an den Engel in Albrecht Dürers Radierung Melencolia II erinnert, der zwischen Symbolen und Gegenständen von Handwerk und philosophischem Denken sitzt, die das Leben eines Künstlers begleiten, eine Allegorie für die Verbindung von Zelebration und Requiem, welche so ein Leben darstellt. In diesem Künstler finden wir Dürers Engel in der Begegnung mit Dada, immer noch nach Leben dürstend. «Kein fester Boden», lautet eine von Reinfranks Antworten. «Man muss weitermachen». In der künstlerischen Tätigkeit geht es also einmal mehr «um Wahrheit». Jede und jeder bleibt auf sich selbst gestellt.

Als Reinfrank vor einiger Zeit ins neue Atelier umzog, musste er die übliche Entsorgungsgebühr für all das bezahlen, was er nicht transportieren wollte. Worin er eher quer zu uns liegt, ist wohl die Auswahl dessen, was er verbrennen liess und was ihm wertvoll genug erschien, um es zu ordnen und mitzunehmen. Seine Möbel hat er entsorgt und die Müllhalde behalten. Reinfrank wirft das weg, was andere sorgsam aufbewahren, und hortet, was andere wegschmeissen. Dies führt uns wieder zurück zur verborgenen Aussagekraft unseres Mülls. Indem er sich auf das konzentriert, was uns entgeht oder gar bewusst ignoriert wird, zeigt er uns einen Aspekt unseres Lebens auf, der die Erfahrung als Ganzes bereichern und abrunden kann. Wer will denn festlegen können, warum das eine Spielzeug und das andere nichts sein soll? Vielleicht brauchen wir beide, um überhaupt zu spielen.

 

Mark Staff Brandl & Daniel Ammann
«‹Farblose grüne Ideen schlafen wütig›: Hermann Reinfrank – Künstlerporträt.»
fön 11 (Nov./Dez. 1994): [S. 9–10].
Download

Siehe auch: 
Stillhart, Sibylle. «Die Müllhalde lebt! Notizen beim Besuch des Ateliers von Hermann Reinfrank, Abfallkünstler.» Saiten (Okt. 1995): doi.org/10.5169/seals-885897.

Einfach anfangen

Einfach anfangen

«Lies vor!», fordert der König das weisse Kaninchen in Alice im Wunderland auf. «Wo soll ich anfangen?» fragt es zurück. «Fang am Anfang an», antwortet der König, «und lies weiter, bis du zum Ende kommst. Dann hör auf.»

Zahlreiche Autor:innen schwören auf den ersten Satz, behaupten sogar, ohne ihn seien sie ausserstande, überhaupt anzufangen. Das mag zutreffen oder nur Koketterie sein. Auf alle Fälle hebt es die Magie des kreativen Prozesses hervor … und ein bisschen auch das Genie der Schreibenden. Stellt sich der zündende erste Satz allerdings nicht ein, ist die Schreibblockade quasi vorprogrammiert.

In seinem Roman Rauch und Schall (Diogenes 2023) lässt Charles Lewinsky den genialischen Johann Wolfgang von Goethe genau daran auflaufen. Zurück von seiner Schweizer Reise wartet der Meister vergeblich auf die Inspiration, während der von ihm als Lohnschreiber verachtete Schwager Christian August Vulpius Buch um Buch produziert. Weil Goethe einen Ruf zu verlieren hat, nimmt er schliesslich widerwillig die Dienste seines Schwagers in Anspruch, zuerst als Ghostwriter, dann als Schreibcoach.

Die humorvolle Demontage des Genies beginnt bei Lewinsky schon im ersten Satz («Goethe hatte Hämorrhoiden.»), nimmt aber mit der Umkehr der Hierarchie erst richtig Fahrt auf. Lewinsky inszeniert den unterwürfigen Vulpius als handwerklich versierten Autor und stilisiert ihn zum pädagogisch-psychologischen Schreiblehrer. 
Dabei spielt abermals ein erster Satz die zentrale Rolle.  Vulpius entpuppt sich sogar als didaktischer Pionier und Vertreter des Freewriting avant la lettre. Seine Aufgabe an den widerspenstigen Schreibschüler Goethe lautet denn auch, mit einem vorgegebenen ersten Satz zu beginnen und dann ohne Unterbruch einfach weiterzuschreiben. «Nicht an andere Dinge denken. Überhaupt nicht denken. Einfach schreiben.»

Goethe spielt mit, auch wenn er in seiner Selbstgefälligkeit und Arroganz überzeugt ist, alles besser zu wissen, wie seine Reaktion auf den Schreib-Prompt zeigt:

Ganz Italien spricht von ihm.
Kein wirklich guter Anfang. Er musste Vulpius bei Gelegenheit erklären, wie wichtig die ersten Worte für ein Buch waren. Ein Signal für den Leser. So wie man beim Betreten eines Hauses sofort spürte, was für Leute dort lebten. Damals beim Werther – auf diesen Anfang war er heute noch stolz – hatte der erste Satz geheissen: Wie froh bin ich, dass ich weg bin!

Goethe braucht etliche Anläufe, bis es ihm gelingt, seine Einwände und die hohen Ansprüche über Bord zu werfen. Immer wieder schweifen seine Gedanken ab. So ärgert er sich über die Beschaffenheit des Federkiels, die Farbe der Tinte und stösst sogar auf Ideen für neue Vorhaben. 

Man müsste, überlegte Goethe, die Anfänge berühmter Romane sammeln. Vielleicht eine Broschüre daraus machen. Die verschiedenen Arten von ersten Worten miteinander vergleichen.

Sind die üblichen Vermeidungstrategien erst einmal ausgehebelt, kann es endlich losgehen. Die Rinaldini-Kur, wie Goethe sie bei sich nennt, schlägt an und der Meister tröstet sich damit, dass ausser Vulpius niemand dieses Machwerk je zu Gesicht bekäme … «Er war so glücklich wie schon lang nicht mehr. Und seine Hämorrhoiden waren auch kaum mehr zu spüren.» Die Heilung hat er dem ersten Satz zu verdanken, aber mehr noch der Einsicht, dass es weit wichtiger ist, mit dem Schreiben überhaupt erst anzufangen.

Charles Lewinsky
Rauch und Schall.
Zürich: Diogenes, 2023. 304 Seiten.

Das narrative Damoklesschwert

Das narrative Damoklesschwert

Eine Möglichkeit, Spannung zu erzeugen, ist wie das Ticken einer Bombe. Regisseur Alfred Hitchcock hat diese Art als Suspense bezeichnet und von Surprise, dem Überraschungsmoment, unterschieden. Im Film ist es oft so, dass wir als Zuschauer:innen mehr wissen, dass wir das drohende Unheil, die heranrückende Gefahr kommen sehen. Diese Spannung operiert mit unserem Vorwissen, speist sich aus unserem Wissensvorsprung gegenüber den handelnden Figuren der Geschichte.

In Hitchcocks Beispiel ist es die Bombe unter dem Tisch, von der die Figuren nichts ahnen. Auch Literatur arbeitet mit solchen Mitteln. Entweder die Handlung wartet mit unvorhersehbaren Wendungen auf, überrumpelt und verblüfft uns. Oder sie lässt uns ahnen, was passiert und spannt uns so auf die Folter.

Nicht selten schaffen es bereits die ersten Sätze, durch Andeutungen unsere Neugier zu wecken oder etwas Dramatisches in Aussicht zu stellen. Dabei geht es weniger um die Frage, was als Nächstes passiert, sondern wann und wie genau sich unsere dunklen Vorahnungen bewahrheiten. Gelegentlich reicht es schon, eine einschneidende Veränderung anzudeuten oder ein heraufziehendes Ereignis zu verkünden. Bleibt das Befürchtete dann doch aus (Rettung in letzter Sekunde) oder passiert etwas weitaus Schlimmeres (Katastrophe), bekommen wir zur Spannung obendrein auch noch eine Portion Überraschung.

Schauen wir uns ein typisches Beispiel an. So beginnt Louis Bayards Der denkwürdige Fall des Mr Poe:

Der Countdown erinnert an Hitchcock tickende Bombe. Der tödliche Ausgang scheint unausweichlich. Hier zeigt sich aber schon, dass es wohl gar nicht das nahende Ende des Ich-Erzählers ist, das uns vorwärts drängt. Vielmehr sind wir auf das Warum, auf die verhängnisvollen Hintergründe gespannt. Da hat es jemand eilig, seine Geschichte loszuwerden – und die Überschrift lässt vermuten, dass es eine Art Beichte wird: «Testament von Gus Landor, 19. April 1831».

Der Romantitel schürt ebenfalls hohe Erwartungen. Wer von Edgar Allen Poe gehört hat oder mit seinen unheimlichen Erzählungen und Detektivgeschichten vertraut ist, kann sich schon mal einstimmen. Eines seiner mystischen Abenteuer trägt im Deutschen den Titel Die denkwürdigen Erlebnisse des Arthur Gordon Pym. Im Original sind beide Titel wesentlich unspektakulärer. Poes Erzählung aus dem Jahr 1838 heisst schlicht The Narrative of Arthur Gordon Pym of Nantucket. Und Louis Bayards Kriminalroman trägt im Englischen den Titel The Pale Blue Eye – eine direkte und doch subtile Anspielung auf das «blassblaue Auge» des alten Mannes, dem Poes manischer Ich-Erzähler in der Kurzgeschichte «Das verräterische Herz» nach dem Leben trachtet. Es ist nur eine Frage der Zeit. 

Auch über Bayards Protagonist Augustus Landor baumelt ein unsichtbares Damoklesschwert. Und Poe-Kenner:innen denken vielleicht an Die Fallgrube und das Pendel und den Satz «Das Urteil – das grausame Todesurteil – war das Letzte, was noch klar an meine Ohren drang.»

Louis Bayard
Der denkwürdige Fall des Mr Poe.
Aus dem amerikanischen Englisch von Peter Knecht.
Berlin: Insel Verlag, 2022. 500 Seiten.

Edgar Allan Poe
Neue unheimliche Geschichten.
Aus dem amerikanischen Englisch v. Andreas Nohl.
München: dtv, 2020. 392 Seiten.

 

Es läutet …

Es läutet …

«Am Anfang steht eine Frage, ein Rätsel, ein Geheimnis.» Das habe ich vor nicht allzu langer Zeit in einem Aufsatz behauptet. Sehr oft gilt das schon für den Einstieg in eine Geschichte. Wir sitzen in einem dunklen Raum und der erste Satz stösst die Tür einen Spalt auf. Das einfallende Licht weckt unsere Neugier, lockt uns in den anderen Raum. Bleiben wir vor der Schwelle stehen, hat der Roman verloren.

Machen wir die Probe aufs Exempel und schauen uns aufs Geratewohl Franz Hohlers Roman Das Päckchen (2017) an. Eigentlich beginnt das Rätsel schon mit dem Titel, denn wir möchten schon gern erfahren, von welchem Päckchen die Rede ist und was es damit auf sich hat. Geht es um ein wertvolles Geschenk, eine falsch zugestellte Postsendung oder ein Paket mit Sprengstoff? Schliesslich will man uns eine Geschichte andrehen. Da hoffen wir auf Spannung und unvorhergesehene Überraschungen. Der erste Satz lautet also:

Aha! Keine Antwort, sondern lauter neue Fragen. Wer ist «er»? Warum sollte er den Hörer denn nicht abnehmen? – Vibriert da ein fremdes Handy auf dem Tisch im Café oder geht der Unbekannte wie im Spionagefilm an einer Telefonzelle vorbei, als es drinnen zu klingen beginnt?

Auf jeden Fall muss es sich um eine folgenschwere Entscheidung handeln, sonst gäbe es nichts zu erzählen. Mit anderen Worten: keine Geschichte. Ist die anrufende Person nur «falsch verbunden» oder stellt sich Mitarbeiter:in eines Callcenters heraus, kann das Leben ungestört weitergehen. Zumindest wissen wir: Es gibt ein Später. Dieser «er» hat überlebt und macht sich im Nachhinein Gedanken. «Bei Anruf, Mord» war es also nicht.

Will ich mehr erfahren, bleibt mir also nichts anderes übrig als weiterzulesen. Da mit dem ersten Satz auch der Absatz fertig ist, schalte ich eine kurze Pause ein und schaue, was hochkommt. Von Weitem höre ich das Klingeln in einem anderen Buch. Wo war das noch gleich? Paul Auster natürlich (oder eher unnatürlich). Stadt aus Glas (1987). Auch kein schlechter Anfang:

Mit einer falschen Nummer fing es an, mitten in der Nacht läutete das Telefon dreimal, und die Stimme am anderen Ende fragte nach jemandem, der er nicht war.

Ich fahre mit Hohlers erstem Satz weiter:

Warum er den Hörer abgenommen hatte, konnte er sich später nicht mehr erklären.

Dann abermals Auster (als würde er den Gedanken weiterführen):

Viel später, als er in der Lage war, darüber nachzudenken, was mit ihm geschah, sollte er zu dem Schluss kommen, nichts ist wirklich ausser dem Zufall.

An eine ruhige Lektüre ist nun nicht mehr zu denken. Unweigerlich beginnen nun die beiden Romane miteinander zu sprechen und entfalten eine dritte Geschichte. Ich springe hin und her und kann mich dem dialogischen Wechselspiel nicht mehr entziehen.

Da machte er einen Schritt, hob den Hörer und sagte: «Hallo?»

Dann kam wie aus grosser Entfernung der Klang einer Stimme, wie er dergleichen noch keine gehört hatte. Er erschrak.

«Hallo?», sagte die Stimme.

«Wie kann ich Ihnen helfen?»

«Ist das Paul Auster?», fragte die Stimme.

Er zögerte einen Moment und sagte dann: «Ja. Wer spricht?»

«Ich möchte Mr. Paul Auster sprechen.»

«Natürlich. Und wie kann ich helfen?»

Wieder ein Schweigen am anderen Ende.

«Bitte. Die Angelegenheit ist äusserst dringend», sagte die Stimme. «Ich brauche deine Hilfe.»

«Wer spricht dort?»

«Ich», sagte die Frau am andern Ende.

«Was kann ich für Sie tun?»

Hier, sagte er sich später, hier hätte er aufhängen sollen, denn hier hatte er aus irgendeiner Neugier heraus begonnen, sich auf das Spiel einzulassen.

Vor ziemlich genau 35 habe ich im Nebelspalter den 1074 Seiten starken Band 14 des PTT-Telefonbuchs besprochen. An den ersten Satz habe ich leider keine Erinnerung mehr, aber auch in diesem Bestseller der Gebrauchsliteratur gab es einen mysteriösen Anruf.

– Mit wem möchten Sie sprechen?
– Mit wem spreche ich?
– Sie sprechen mit …
– Ich möchte gerne Herrn X sprechen.
– Herr X ist nicht da. Kann ich etwas ausrichten?
– Kann ich mit dem Vertreter von Herrn X sprechen? Der Anruf ist sehr dringend.
– Könnten Sie bitte lauter sprechen? Ich verstehe nicht.

Die letzte Dialogzeile wäre doch ein passabler erster Satz für einen Roman, oder? Vielleicht haben Sie ja Lust, den Faden aufzugreifen und den Text weiterzuspinnen. Einiges hängt vom ersten Satz ab, aber mehr noch von dem, was folgt und was die Geschichte aus dem vielversprechenden Anfang macht. Oder wie es in Paul Austers erstem Roman Stadt aus Glas heisst:

Das Problem ist die Geschichte selbst, und ob sie etwas bedeutet oder nicht, muss die Geschichte nicht sagen.

Warum hat Ihr Protagonist wohl den Hörer abgenommen?

Mit einer Frage fängt es an

Mit einer Frage fängt es an

«Mit einer Frage fängt es an: Erkenntnis durch Schreiben.»
Wissenschaftlich erzählen – literarisch überzeugen: Kreativ schreiben in der Hochschule. Hrsg. v. Daniel Ammann, Erik Altorfer, Gisela Bürki u. Alex Rickert. Bern: hep Verlag, 2023. S. 20–33.
Download
 magoria.ch/dam/wissenschaftlich-erzaehlen
 hep-verlag.ch/wissenschaftlich-erzaehlen (Buch Open Access zum Download)

Am Anfang steht eine Frage, ein Rätsel, ein Geheimnis. Kein Text entsteht aus dem Nichts. Es braucht ein Motiv, einen Impuls, ein Problem. Als Initialzündung reicht das Staunen oder der Wunsch, eine Erscheinung zu durchdringen und begreifen zu können. Schon Aristoteles hält zu Beginn seiner Metaphysik fest, dass der Mensch von Natur aus nach Wissen strebt. Die Suche nach Erklärungen und Erkenntnissen ist keineswegs den Wissenschaften vorbehalten. Fragen, so meine Prämisse, sind die Triebfeder jeder Erzählung.

Wissenschaftlich erzählen – literarisch überzeugen

Wissenschaftlich erzählen – literarisch überzeugen

Daniel Ammann, Erik Altorfer, Gisela Bürki und Alex Rickert, Hrsg.
Wissenschaftlich erzählen – literarisch überzeugen: Kreativ schreiben in der Hochschule.

Bern: hep Verlag, 2023. 155 Seiten.  
ISBN 978-3-0355-2350-8
Beim Schreiben kann man alles falsch, aber nie alles richtig machen. Im literarischen und wissenschaftlichen Schreiben sind Regeln wichtig, aber vielmehr noch die Kreativität. Auch ein Fachtext erzählt, und ein Roman antwortet auf Fragen. Betreuende von wissenschaftlichen Arbeiten, Schreibcoachs und Lektor*innen zeigen in ihren Beiträgen, dass kreatives Schreiben in allen Formaten ein unverzichtbares Denk-, Lern- und Ausdrucksinstrument ist.
 hep-verlag.ch/wissenschaftlich-erzaehlen
(Open Access)

Das Buch «Wissenschaftlich erzählen – literarisch überzeugen».

Mit Beiträgen von: Erik Altorfer, Daniel Ammann, Sieglinde Geisel, Hildegard E. Keller, Kirsten Schindler, Nadja Sennewald, Gerhild Steinbuch, Jacob Teich, Vincenzo Todisco, Philip Ursprung und künstlerischen Intermezzos von Katja Brunner, Simon Froehling, Peter von Matt, Martina Meienberg, Fatima Moumouni, Melinda Nadj Abonji, Usama Al Shahmani, Tabea Steiner, Franco Supino, Peter Weber (Gestaltung Matthias Gnehm). Erschienen und auch als Open-Access Publikation erhältlich im hep Verlag.

Enthält:
Daniel Ammann: «Mit einer Frage fängt es an: Erkenntnis durch Schreiben.» Wissenschaftlich erzählen – literarisch überzeugen: Kreativ schreiben in der Hochschule. Bern: hep Verlag, 2023. S. 20–33.
magoria.ch/dam/mit-einer-frage-faengt-es-an
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Am Anfang steht eine Frage, ein Rätsel, ein Geheimnis. Kein Text entsteht aus dem Nichts. Es braucht ein Motiv, einen Impuls, ein Problem. Als Initialzündung reicht das Staunen oder der Wunsch, eine Erscheinung zu durchdringen und begreifen zu können. Schon Aristoteles hält zu Beginn seiner Metaphysik fest, dass der Mensch von Natur aus nach Wissen strebt. Die Suche nach Erklärungen und Erkenntnissen ist keineswegs den Wissenschaften vorbehalten. Fragen, so meine Prämisse, sind die Triebfeder jeder Erzählung.

Mit einer Frage fängt es an

Magoria by Daniel Ammann