Lesen auf eigene Gefahr

Widerwillig begibt sich die Schulklasse in die miefige Stadtbibliothek. Eine unscheinbare Autorin beginnt hinter einem Vorhang fettiger Haare zu lesen. Keiner hört richtig zu, ausser der vierzehnjährigen Kim, die sich in der Geschichte sofort wiedererkennt. Das sind doch ihre Worte, ihre Gedanken! Diese Schriftstellerin hat ihr Leben geklaut.

Was als Parodie und Kritik hilfloser Bildungsbeflissenheit beginnt, macht Alina Bronsky schon nach wenigen Seiten zu einem verstörenden Leseabenteuer. Für die Ich-Erzählerin Kim sind die Parallelen zu ihrem richtigen Leben eine Kampfansage. Sie muss der Sache auf den Grund gehen. Weil in dem Buch jedoch Dinge stehen, die erst passieren werden, traut sie sich gar nicht, bis zum Ende zu lesen. Kims beste Freundin Petrowna, eine körperlich wie geistig überragende Erscheinung, bleibt zwar skeptisch («Hast du überhaupt schon einmal ein Buch angefasst?»), entwickelt aber bald einen Plan, wie sich Kim aus den Fängen der Fiktion befreien kann. Um das Leben einer Romanfigur (und eines Mitschülers) zu retten, ist den beiden Teenagern jedes Mittel recht.

Nach den dystopischen Fantasyromanen Spiegelkind und Spiegelriss (der letzte Teil der Trilogie steht noch aus) ist dies Alina Bronskys erstes «realistisches» Jugendbuch. Mit seinem frech-witzigen Erzählton und eigenwilligen Charakteren knüpft es direkt an Scherbenpark (2008) und Nenn mich einfach Superheld (2013) an. Beide Romane waren zwar in einem Programm für Erwachsene erschienen, erreichten mit ihren 17-jährigen Protagonisten aber auch ein jugendliches Publikum. Scherbenpark war für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und wurde erfolgreich fürs Kino adaptiert.

Für das etwas jüngere Zielpublikum zeichnet Alina Bronsky in ihrem neuen Roman ein weniger hartes Bild der Wirklichkeit. Dennoch haben ihre jugendlichen Heldinnen neben der Selbstfindung auch diesmal mit Scheidungseltern, sozialen Spannungen und kultureller Integration zu kämpfen. Und wiederum weisen Bildung und Freundschaft den Weg in eine bessere Welt.

Daniel Ammann

Erschienen in:
NZZ am Sonntag 10.12.2017, Literaturbeilage  «Bücher am Sonntag», S. 13.

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Alina Bronsky.
Und du kommst auch drin vor.
München: dtv, 2017. 190 Seiten. Ab 12 Jahren
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Von der Schädlichkeit des Lesens

«Von der Schädlichkeit des Lesens.»
Eine vergessene Streitschrift gegen die Verkümmerung kommunikativer Kompetenz.»
Achtung Sendung!
3 (April 1988): S. 60–61.

In den späten 1960er-Jahren verfasste der Literatur- und Filmkritiker Herman Couzens seine Streitschrift gegen die Verkümmerung der Kommunikation. Sie erschien in England und Amerika unter dem Titel «Beware of Books» und war eine Reaktion auf kulturelle Kassandrarufe, die auf Gefahren des Fernsehens aufmerksam machten. In seinem Aufsatz dreht Couzens den Spiess um und warnt uns vor den schädlichen Folgen des Lesens.

 

 

Zehn Gebote des Schreibens

Zehn Gebote des Schreibens

«Regeln für die Ausnahme: Über die ‹Zehn Gebote des Schreibens›.»
Neue Zürcher Zeitung 18.4.2012: S. 51.
 Gebote des Schreibens NZZ_2012-4-18.pdf

42 Schriftstellerinnen und Schriftsteller – von Margaret Atwood bis Juli Zeh – verraten in diesem schmucken Büchlein ihre goldenen Regeln des Schreiens. Die Idee mit den zehn Geboten geht auf den amerikanischen Erfolgsautor Elmore Leonard zurück, der seine Regeln 2001 für die New York Times niederschrieb.

Zehn Gebote des Schreiben.
München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2011.
176 Seiten.

Elmore Leonard
10 Rules of Writing.
Illustrated by Joe Ciardiello.
London: Weidenfeld & Nicolson, 2010. 92 Seiten.

Magoria by Daniel Ammann