Jane Austens Schreibmaschine

Jane Austens Schreibmaschine

Es gibt sie nicht wirklich. Aber in meinem imaginären Museum darf sie keinesfalls fehlen. Hin und wieder werfe ich gern einen Blick in Paralleluniversen. Literatur und Film lassen mich in virtuelle Räume eintreten, die mir in der Alltagsrealität verschlossen bleiben.1 Ich mag diese alternativen Welten, die sich unheimlich und fremd anfühlen, aber der unseren dennoch gleichen. Hätte sich die Chronik der technischen Erfindungen anders gestaltet, müssten wir die Menscheits- und Mediengeschichte neu schreiben.

Jane Austens Schreibmaschine

Die Grenzen von Wahrheit und Wirklichkeit, wie wir sie kennen, lassen sich auch mit KI überschreiten. Da reicht schon ein kreativ-suggestiver Prompt. Auf meine Frage, zu welchem Preis Jane Austens Schreibmaschine auf Auktionen gehandelt wird, hiess es, der Preis könne stark variieren und je nach Zustand mehrere tausend bis zehntausend Dollar oder Euro erreichen. Das kann ich mir nicht leisten, aber ich würde gern mal einen Blick auf das kostbare Exponat werfen. Offenbar ist das möglich, meint der ChatBot: «Jane Austens Schreibmaschine befindet sich im Jane Austen’s House Museum in Chawton, Hampshire, England. Dieses Museum ist das Zuhause, in dem sie einen Grossteil ihres Lebens verbrachte und ihre Werke schrieb. Es beherbergt verschiedene persönliche Gegenstände, darunter auch ihre Schreibmaschine.»

Schön wär’s. Als Nächstes würde ich dann das Frankfurter Goethe-Haus besuchen, um mir die Plattensammlung des Genies anzuschauen und dann der Frage nachzugehen, wie sich die Playlist in seinem Werk niederschlägt.

Apropos Schreibmaschine: Zu den frühesten Besitzern eines Remington-Modells zählte der Schriftsteller Mark Twain. Er nahm für sich sogar in Anspruch, der Erste zu sein, der die Schreibmaschine nicht nur zum Tippen von Briefen, sondern für literarische Zwecke verwendete. The Adventures of Tom Sawyer will er seinem Verleger als erstes maschinengetipptes Buchmanuskript abgeliefert haben. Aber sein Gedächtnis täuschte ihn. Die Forschung ist sich inzwischen sicher, dass es sich in Wahrheit um Life on the Mississippi handelte.

Daniel Ammann, 2.11.2025


  1. Siehe dazu auch meinen Medientipp zu alternativer Geschichtsschreibung unter magoria.ch/dam/alternative-geschichte. ↩︎

Den Zitaten auf der Spur

Den Zitaten auf der Spur

Ich bin ein grosser Fan und obsessiver Sammler von Zitaten. Aber sie treiben mich gelegentlich auch in den Wahnsinn. Vor allem wenn sie als «heimtückische Memes» durchs Internet geistern und keinen Hinweis darauf liefern, welchem Werk sie entnommen sind. Ganz zu schweigen davon, dass sogar die Angabe der Autor:innen sehr oft irreführend oder schlichtweg falsch ist.

Und sie fährt fort: «Es ist etwas Monotones an den häuslichen Pflichten, und diese Eintönigkeit gibt den körperlichen Fähigkeiten des Menschen genügend Arbeit, während sie die geistigen freisetzt, sodass sie sich aufschwingen können in die Höhen der Phantasie, um neue Gedanken zu fassen und zu formen.»1

Ich möchte dem Quote Investigator keine (oder nur ein bisschen) Konkurrenz machen. Denn hin und wieder bereitet mir das ungenaue und quellenlose Zitieren schon Kopfzerbrechen. Vielleicht hat mich da die wissenschaftliche Arbeit verdorben. Aber etwas nervig ist es schon, wenn ein Bonmot aus einem Shakespeare-Stück oder einem Roman von Jane Austen zitiert wird und als Quelle lediglich der Name des Autors oder der Autorin vermerkt wird. Auch wenn die Werke aus ihrer Feder stammen, sind sie mit ihren Charakteren nicht unbedingt einer Meinung. Wie schon Antonio in Shakespeares The Merchant of Venice bemerkt:  «The devil can cite Scripture for his purpose.» – Wenn es sich um die deutsche Übersetzung handelt, sollte man auch erwähnen, wem wir diese verdanken. Bei August Wilhelm Schlegel zum Beispiel heisst es: «Der Teufel kann sich auf die Schrift berufen.»

Bei genauerer Prüfung kann sich unter Umständen sogar herausstellen, dass das Zitat im Werk der genannten Autorin gar nicht vorkommt.

«When I fall in love, it will be forever.» – Das könnte Jane Austen vielleicht in einem Biopic sagen. Als Quelle wird gelegentlich Sense and Sensibility (1811) angeführt. Dort erwähnt Edward Ferrars im Gespräch mit den Dashwoods zwar Mariannes «Lebensmaxime: dass man sich nur einmal im Leben verlieben kann» (2017, 95; in der Übersetzung von Andrea Ott). Im exakten Wortlaut kommt das angebliche Austen-Zitat aber tatsächlich nur in der BBC-Adaption des Romans nach dem Drehbuch von Andrew Davies vor (GB 2008).

  1. Im Original: «During domestic chores I could relax my mind completely. Robert Graves once said to me that washing up was one of the best aids to creative thought. I think he is quite right. There is a monotony about domestic duties – sufficient activity for the physical side, so that it releases your mental side, allowing it to take off into space and make its own thoughts and inventions. That doesn’t apply to cooking, of course. Cooking demands all your creative abilities and complete attention.» (Christie 2011 [1977], 316–317) ↩︎


Quellen

Austen, Jane. Vernunft und Gefühl. Aus dem Englischen von Andrea Ott. Zürich: Manesse, 2017. 

Christie, Agatha. Agatha Christie: An Autobiography. London: HarperCollins, 2011 (1977).

Christie, Agatha. Die Autobiographie. Aus dem Englischen von Hans Erik Hausner. Hamburg: Atlantik, 2017.

Johnson, Alex. Schreibwelten. Mit Illustrationen von James Oses. Aus dem Englischen von Birgit Lamerz-Beckschäfer. Darmstadt: wbg Theiss, 2023.

Sense & Sensibility. (Sinn und Sinnlichkeit.) GB 2008. Regie: John Alexander. Buch: Andrew Davies.

Schreiben (Patricia Highsmith)

«5/17/50 Writing, of course, is a substitute for the life I cannot live, am unable to live. All life, to me, is a search for the balanced diet, which does not exist. For me. Alas, I am twenty-nine, and I cannot stand more than five days of the life I have invented as the most ideal.»

Patricia Highsmith: Her Diaries and Notebooks: 1941–1995

Schreibzitat #14: Julian Barnes

Und das Zitat geht noch weiter: «Und je länger das Leben andauert, desto weniger Menschen gibt es, die unsere Darstellung infrage stellen, uns daran erinnern können, dass unser Leben nicht unser Leben ist, sondern nur die Geschichte, die wir über unser Leben erzählt haben. Anderen, aber – vor allem – uns selbst erzählt haben.»

Magoria by Daniel Ammann