Juxtaposition: Under the Typewriter

Reviewing Rebel in the Rye, Danny Strong’s biopic about J.D. Salinger and the genesis of his exceptional novel The Catcher in the Rye, film critic Carrie Rickey states that «few movie genres are more challenging to the filmmaker than the literary biopic» (Truthdig, 8. Sept. 2017). On the whole, she finds the movie «singularly un-cinematic» and points out that «struggling for a new angle on the writer at his instrument, Strong puts the camera under Salinger’s typewriter, framing the writer’s face through the keys.»

Not quite true. We’ve seen something similar before … namely in Wim Wender’s semifictional biopic Hammett (based on Joe Gores’ novel by the same title).

Verwirrung durch Überfülle

In Träumen, dem fünften Band seines autobiografischen Grossprojekts, berichtet der norwegische Schriftsteller Karl Ove Knausgård von seiner Zeit in Bergen und wie er dort nach dem Besuch der Akademie für Schreibkunst immer wieder im Schreiben scheitert, dann anfängt Literaturwissenschaft zu studieren, wieder aufgibt und doch unbeirrt von einer Karriere als Schriftsteller weiterträumt. Das Verfassen von Essays, Literaturkritiken und Seminararbeiten scheint ihm dabei einfacher von der Hand zu gehen:

Beim Verfassen von Hausarbeiten lief alles darauf hinaus, möglichst zu verbergen, was man nicht wusste. Dazu diente eine bestimmte Sprache, eine bestimmte Technik, und ich beherrschte sie. Zwischen den Dingen gab es Abgründe, die diese Sprache verdecken konnte, wenn man erst einmal gelernt hatte, wie es funktionierte.

Aber diese Selbstsicherheit hält nicht an. Als ihm bei einer späteren Hausarbeit nur noch wenige Wochen bis zum Abgabetermin bleiben, hat er erst wenige Seiten verfasst.

Schlimmer war jedoch, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich vorgehen sollte. Der Stoff wuchs und expandierte, aber es fehlte der Zusammenhang, die einzelnen Fäden erstreckten sich in alle Richtungen, und die Gewissheit, dass ich nicht nur den Überblick über sie behalten, sondern sie auch zu einer klaren Linie bündeln musste, versetzte mich in Panik.

Der Schreibforscher Hanspeter Ortner spricht in diesem Zusammenhang von embarras de richesse, also einer «Verwirrung durch Überfülle» (Ortner, Schreiben und Denken). Die kognitive Überlast blockiert den Schreibprozess ebenso wie die sprichwörtliche Angst vor dem leeren Blatt. Aber ihr ist vermutlich leichter beizukommen. Denn wer nichts zu sagen hat und unter einem Mangel an Material leidet, muss sich erst auf die Suche machen: lesen, recherchieren, Hypothesen entwickeln, Ideen generieren. Wer hingegen über zu viel Material verfügt, muss lediglich auswählen und eingrenzen. – Wenn das so einfach wäre!

Tiny Tales

Tiny Tales sind Kürzestgeschichten. Manchmal bestehen sie nur aus fünf oder sechs Worten, wie die Hemingway zugeschriebene Mikrogeschichte: «For sale, baby shoes, never worn» (vgl. auch den Film Papa: Hemingway in Cuba von Regieur Bob Yari. USA 2015). Andere Beispiele firmieren unter dem Begriff Twitteratur, wie die gleichnamige Sammlung von Alexander Aciman und Emmett Rensing. Berühmte Werke der Weltliteratur werden jeweils in einer Serie von Tweets parodistisch nacherzählt (Sanssouci bei Hanser 2011). Anna Karenina setzt so an: «Meine Schwägerin verlangt die Scheidung. Ich muss nach Moskau, den Unsinn stoppen. Vielleicht steigen nebenbei ein paar gute Partys.» Und was könnte das wohl sein?: «Meine Schwester ist unerträglich! Und ihr Mann erst, so ein Waschlappen. Ich muss hier weg, raus ins Marschland.» Etwas einfacher ist es hiermit: «Nennt mich Ismael. Ihr könntet mich auch anders nennen, aber da ich nun mal so heisse, wäre es doch sinnvoll, wenn ihr mich Ismael nennt.»

Auf Twitter und in Buchform hat sich auch der Werber Florian Meimberg der beliebten Kurzform angenommen. Unter dem Titel Auf die Länge kommt es an (Fischer 2011) präsentiert er seine skurrile Tiny Tales und fasst sie Kapitelweise unter Begriffen wie Chaos, Angst, Überraschung oder Tod . Unter dem Stichwort Glück wird Folgendes berichtet: «Er starrte auf das kürzere Streichholz. Verloren. Schnee wehte durch das Flugzeugwrack, als der zweite Überlebende das Messer ansetzte.»

Für den New Yorker hat die Schriftstellerin Jennifer Egan vom 4. und 11. Juni 2012 sogar einen ganzen Roman getwittert: Black Box. Die deutsche Ausgabe ist in der Übersetzung von Brigitte Walitzek bei Schöffling (2013) erschienen.

Oft sind die Kürzestgeschichten wie explosive erste Sätze, die schon den ganzen Roman enthalten. Oder in meinem Fall ein Märchen, das mit den Konventionen des Märchens bricht. Eine postmoderne Tiny Fairy Tale.

Auf Zerstreuung fokussiert

Heute kann man sich Programme wie «SelfControl» auf dem Compu­ter installieren, um für eine definierte Zeitspanne nicht gestört zu werden. Der Produktivität steht dann fast nichts mehr im Weg. Gegen die lauten Nachbarn, Musik aus dem Nebenzimmer, Kindergeschrei vor dem Haus, hupende Autos und bellende Hunde setzt man sich einfach noch den teuren Kopfhörer mit «Noise-Cancelling-Technologie» auf. Noch ein letztes Mal kratzen, wo es juckt, Nase und Brille putzen. Auf dem Klo war ich schon, und ein Glas frisches Wasser oder eine Tasse Kaffee steht ebenfalls bereit.

Gleich geht’s los.

Das Schreibprogramm wird im Vollbild-Schreibmodus geöffnet. Die erste Idee wartet schon hinter der Ecke. Sie traut sich erst hervor, wenn ich wirklich ganz und gar bereit bin. Zur heiteren Auflockerung schreibe ich schon mal den Satzanfang «A Saturday afternoon in November was approaching …» (und denke an den Monty-Python-Sketch «Novel Writing»).

Gut. Nun sind alle Hindernisse aus dem Weg geräumt. Oder habe ich noch etwas vergessen? Irgendwie will es doch nicht recht. Da ist noch diese innere Unruhe, für die es keinen Ein/Aus-Schalter gibt. «SelfControl» ist auf zwei Stunden programmiert. Da hilft auch kein Neustart. Ich könnte mich so lange aufs Ohr legen. Oder ein Buch lesen. Nein, ich will und muss jetzt produktiv sein.

Nach einer halben Stunde greife ich mir mein schwarzes Notizbuch, setze mich unten ins lärmige Café … und kann endlich schreiben. Oder besser noch: Ich hebe mir das für später auf, damit ich etwas habe, worauf ich mich freuen kann, wenn ich wieder zu Hause bin. – Vielleicht schreibe ich einen Mediensplitter zum Thema Prokrastination.

Aber es eilt ja nicht … Morgen ist auch noch ein Tag.

Auf ein Wort: einheimsen

Man weiss nicht, wie das kommt: Manche Wörter mag man halt lieber als andere. Während eine Kollegin die Floskel «allenfalls» nicht ausstehen kann, gehört es bei mir zu den häufig verwendeten Vokabeln. Ein anderer Kollege ärgert sich regelmässig, dass die Leute zunehmend «gern» statt «bitte» sagen.

Wenn ich Wörter an den Pranger stellen könnte (um es scharf richtend zu formulieren), so wäre das umgangssprachliche «einheimsen» bestimmt ein valabler Kandidat. Leben und leben lassen gilt auch für die Sprache, aber es stört mich eben doch, wenn es in den Nachrichten ständig heisst, jemand habe den Oscar oder irgendeine andere Trophäe «eingeheimst». Die dumme Phrase hat für mich einen abwertenden Beigeschmack. Sollte ich allenfalls mal einen bedeutenden Preis gewinnen, so hoffe ich sehr, dass ich ihn verdientermassen erhalte – also weder ergattert, eingesackt noch eingeheimst habe. Es sei denn, der Preisrichter ist eine Lottofee.

P.S. Es geht auch richtig falsch: Nach den rechtsextremen Ausschreitungen in den USA hat sich der amerikanische Präsident nur vage distanziert. Das habe ihm (so Franz Fischlin in der Tagesschau vom 13.8.2017) «zum Teil massive Kritik eingeheimst».

Magoria by Daniel Ammann