Unkreativ kreativ

Sampeln, abschreiben, covern und remixen. Sieht so die neue Kreativtiät aus? In einer Erzählung von Jorge Luis Borges schreibt Pierre Menard den Don Quijote Wort für Wort neu. Die Doppelschöpfung ist textlich nicht vom Original zu unterscheiden, wirkt aber postmodern raffiniert. Wie wir kreativ unkreativ mit dem kulturellen Erbe umgehen können, beleuchtet der konzeptionelle Dichter und Dozent Kenneth Goldsmith in seinem provokativen Essayband Uncreative Writing (Matthes & Seitz 2017). Von seinen Studierenden verlangt er einen Leistungsnachweis, den sie nicht selbst formulieren. Vielmehr müssen sie sich Bestehendes kreativ zu eigen machen. Gold­smith selber hat in einer Aktion die täglichen Wetterprognosen der New York Times abgetippt und als Buch herausgebracht.

Auch der jugendliche Protagonist in Cory Doctorows Roman Pirate Cinema (Heyne 2014) montiert Filmclips zu hintersinnigen Mashups. Die Meisterwerke stossen  auf Anklang, sorgen bei den Gesetzeshütern aber für Ärger. Der Regisseur ohne Kamera taucht ab und setzt seinen Kampf für faire Nutzungsrechte aus dem Untergrund fort. «Schafft eure eigene Kunst. Kreativität heisst nur zu ver­einen, was noch niemand bisher vereint hat.»

Weniger riskant geht Regisseur Carl Reiner ans Werk. Für seinen Spielfim Dead Men Don’t Wear Plaid (USA 1982; dt. Tote tragen keine Karos) hat er sich bei 18 Klassikern aus den 40er- und 50er-Jahren be­dient und die Ausschnitte mit einer parodistischen Handlung kombiniert. Die kreative Rekontextualisierung haucht den Versatzstücken neues Leben ein. Das ist nicht nur witzig und frech, sondern durchaus erlaubt.

Daniel Ammann, 23.5.2017


«Unkreativ kreativ.»
Akzente 2 (2017): S. 39.
 blog.phzh.ch/akzente/2017/05/23/unkreativ-kreativ/
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Kenneth Goldsmith
Uncreative Writing: Sprachmanagement im digitalen Zeitalter.
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Hannes Bajohr und Swantje Lichtenstein.
Berlin: Matthes & Seitz, 2017. 352 Seiten.

Cory Doctorow.
Pirate Cinema.
Aus dem Amerikanischen von Oliver Plaschka.
München: Wilhelm Heyne, 2014.  
510 Seiten. Ab 14 Jahren.

Dead Men Don’t Wear Plaid.
USA 1982.
Regie: Carl Reiner.

Familiengeheimnisse und andere Verbrechen

Rätsel wollen gelöst, Geheimnisse gelüftet werden. Aus dieser Faszination entstehen Geschichten. Im 19. Jahrhundert hat sich mit dem Kriminal- und Detektivroman ein Genre entwickelt, das Leserinnen und Leser bis heute fesselt. Aber nicht immer sind Detektive am Werk, und manchmal bleibt uns die Klärung des Verbrechens versagt.

«Familiengeheimnisse und andere Verbrechen: Charles Dickens und der ungelöste Fall des Edwin Drood.»
ph akzente 2 (2012): S. 12–15.
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Stumme Zeugen

«Stumme Zeugen: Fussspuren, Fingerabdruck und moderne Forensik.»
ph akzente 4 (2011): S. 8–11.
Spuren gehören zu den geheimnisvollsten Hinterlassenschaften der Menschheit. Eine Zeitreise von den Anfängen der Spurenjagd im alten England bis zur spektakulären Verwertung in Hollywoods Serien-Fabrik.
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Magoria by Daniel Ammann