Biopics schreiben Literaturgeschichte auf und zugleich um. Sie loten die Kluft zwischen Vorstellung und Wirklichkeit aus, zwischen dichterischer Selbststilisierung und ernüchternder Realität.
«Biografische Spielfilme bewegen sich auf einem Grat, denn Erfindung und Rekonstruktion greifen sichtlich ineinander. Erzählt wird nach wahren Begebenheiten – und hie und da mit bestechender Detailverliebtheit.»
An den sagenhaften Prometheus der griechischen Mythologie mögen sich wenige erinnern, aber Victor Frankenstein ist den meisten ein Begriff. Boris Karloff in der Rolle seines Monsters gilt als Ikone der Popkultur. Die Geschichte des modernen Prometheus (so der Untertitel des Romans Frankenstein) ist bereits 200 Jahre alt und hat ihren Ursprung in der Schweiz. Mary Shelley (damals noch Mary Wollstonecraft Godwin) war mit ihrem Geliebten, dem Dichter Percy Bysshe Shelley, bei Lord Byron am Genfersee zu Besuch. Man las sich Schauergeschichten vor und dachte darüber nach, selbst welche zu schreiben. Aber lediglich Mary sollte ihre Idee in die Tat umsetzen. Anderthalb Jahre später erscheint Frankenstein, in einer ersten Auflage noch ohne den Namen der 20-jährigen Verfasserin. Die neue Übersetzung dieser Urfassung durch Alexander Pechmann (Manesse 2018) zeigt, dass der Stoff nichts von seiner Wirkkraft eingebüsst hat.
Kenneth Branagh hat Frankenstein 1994 werknah mit Robert De Niro als namenlose Kreatur fürs Kino adaptiert. Hier rücken Kernthemen wie moralische Verantwortung, innere Zerrissenheit und Nächstenliebe wieder in den Vordergrund. Allerdings greift auch Branagh im zweiten Teil auf Effekte des Gruselkinos zurück und erweitert die Story um ein weibliches Monster.
In ihrem Biopic Mary Shelley (2017) zeichnet Regisseurin Haifaa Al-Mansour Stationen im Leben der jungen Autorin nach und verknüpft die Entstehungsgeschichte ihres epochalen Romans auf eindrückliche Weise mit Marys persönlichen Erfahrungen und schweren Schicksalsschlägen.
Mary Shelley Frankenstein oder der moderne Prometheus. Die Urfassung von 1818. Aus dem Englischen übersetzt und in neuer Überarbeitung herausgegeben von Alexander Pechmann. Nachwort von Georg Klein. München: Manesse, 2017. 464 Seiten.
Frankenstein. (Mary Shelley’s Frankenstein.) USA 1994. Regie: Kenneth Branagh.
Mary Shelley. Grossbritannien/Luxemburg/USA 2017. Regie: Haifaa Al-Mansour.
Die Arbeit am Text ist wenig fotogen. Wird der Schreibakt trotzdem auf die Leinwand gebracht, dann nur in Extremform, als wilder Aus- oder fataler Zusammenbruch.
Der Fall ist klar. Ein junger Autor gelangt in den Besitz eines 65 Jahre alten Romanmanuskripts, tippt es Wort für Wort ab und veröffentlicht den Text unter seinem eigenen Namen. Über die Schuldfrage bestehen keine Zweifel. – Über authentisches Schreiben zwischen Scham, Schmerz und Schuld.
«Momente der Wahrheit – Schreiben zwischen Schmerz und Scham. Eine Fallanalyse anhand des Spielfilms The Words.» Schreiben und Scham: Wenn ein Affekt zur Sprache kommt. Hrsg. v. Monique Honegger. Giessen: Psychosozial-Verlag, 2015. S. 105–124. ISBN 13: 978-3-8379-2470-1
Ein junger Mann entdeckt ein Manuskript, das von einer tragischen Liebesgeschichte erzählt. Wort für Wort tippt er den Text in den Computer, und um seine Liebste in ihrer Begeisterung nicht zu enttäuschen, lässt er sie und die Welt im Glauben, es handle sich um sein Werk. Der Held wird zum literarischen Shootingstar. Doch dann meldet sich ein alter Mann, der sich als der wahre Autor zu erkennen gibt …
Bogdanovich, Peter. Wer hat denn den gedreht? Aus dem Amerikanischen von Daniel Ammann, Jürgen Bürger, Ruth Keen, Kathrin Razum, Martin Richter und Thomas Stegers. Mit einem Vorwort von Helllmuth Karasek. Zürich: Haffmans, 2000. 1056 Seiten. ISBN 3-251-00463-8. CHF 68.–.
Peter Bogdanovich im Gespräch mit: Robert Aldrich*, George Cukor, Allan Dwan, Howard Hawks, Alfred Hitchcock, Chuck Jones*, Fritz Lang, Joseph H. Lewis, Sidney Lumet*, Leo McCarey, Otto Preminger, Don Siegel*, Josef von Sternberg, Frank Tashlin*, Edgar G. Ulmer, Raoul Walsh.
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