In ihrer Autobiografie An Angel at My Table – von Jane Campion 1990 bildstark und poetisch verfilmt – beschreibt die neuseeländische Schriftstellerin Janet Frame ihren Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik. Zur Behandlung einer (fehldiagnostizierten) Schizophrenie wird sie mit Elektroschock behandelt und soll sich schliesslich einer Lobotomie unterziehen.
Ein Schnitt ins Hirn, war man 1952 noch überzeugt, würde der Patientin Linderung bringen und fortan ein normales Leben ermöglichen. Ganz sicher war man sich der Sache wohl doch nicht. Wenige Tage vor der Operation teilt der Direktor des Krankenhauses der Autorin mit, dass sie für ihren Erzählband mit einem der renommiertesten Literaturpreise des Landes ausgezeichnet wurde. «Ich habe entschieden, dass bei Ihnen alles so bleibt, wie es ist. Ich will nicht, dass eine Veränderung an Ihnen vorgenommen wird.»
In einem dunklen Kapitel der Psychochirurgie spielt auch Yael Inokais Roman Ein simpler Eingriff (Hanser 2022). Ihre Hauptfigur kümmert sich als Krankenschwester hingebungsvoll um die Patientinnen, deren Störungen durch eine neuartige Methode behoben werden. «Der Doktor brauchte lediglich die betroffene Stelle zu finden, dann würde er diese einschläfern, wie ein krankes Tier.» Aber lassen sich unerwünschte Persönlichkeitsanteile einfach so abschalten?
Noch unheimlicher mutet Ben Stillers bizarre TV-Serie Severance (2022) an. Hier stimmen die Mitarbeitenden eines futuristischen Konzerns freiwillig einem operativen Eingriff zu, der ihre privaten Erinnerungen komplett von der beruflichen Identität abspaltet.
Daniel Ammann
Janet Frame Ein Engel an meiner Tafel: Eine Autobiographie. Aus dem Englischen u. mit einem Nachwort von Lilian Faschinger. München: C. H. Beck, 2012. 288 Seiten.
An Angel at My Table. Neuseeland 1990. Regie: Jane Campion.
Yael Inokai Ein simpler Eingriff. Berlin: Hanser, 2022. 192 Seiten
Severance. TV-Serie. USA 2022. Regie: Regie: Ben Stiller, Aoife McArdle.
Matt Haig Die Mitternachtsbibliothek.
Aus dem Englischen von Sabine Hübner.
München: Droemer, 2021. 320 Seiten.
Paul Auster 4 3 2 1.
Aus dem Englischen von Thomas Gunkel, Werner Schmitz, Karsten Singelmann und Nikolaus Stingl.
Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2017. 1264 Seiten.
«Ein Brett, das die Welt bedeutet.» Neue Zürcher Zeitung 24.7.2021, S. 32–33. nzz.ch/feuilleton
Das Leben ist ein Spiel. So wird gern behauptet. Aber nach welchen Regeln wird hier gespielt? Mischt der Zufall die Karten oder haben wir unser Geschick wie im Schach selbst in der Hand? Das klassische Königsspiel mit seiner Kriegssymbolik taucht als Motiv in zahllosen Geschichten auf und bietet sich immer wieder als sinnfällige Metapher für die Welt an.